Die Genius AG

„Wie ein Sturm aus Ideen, der durchs Unternehmen fegt“

Geschrieben von Elisabeth Hussendörfer, Freie Journalistin // Veröffentlicht am 26.06.2025

Die Genius AG ist ein jährliches Angebot der Adolf Würth GmbH & Co. KG, das die Geschäftsleitung an alle Mitarbeitenden richtet. Wer will, findet sich in buntgemischten Projekt-Teams zusammen, um die Zukunft des Unternehmens mitzugestalten. Wichtige Triebfedern für die rund dreimonatige Projektarbeit sind die Lust am Lernen und Gestalten, der Wunsch nach Erweiterung des persönlichen Netzwerks sowie der Blick über den eigenen Tellerrand. Berufliche Weiterentwicklung? Passiert dabei wie von selbst.

„Die Genius AG ist wie ein Sturm aus Ideen, der durchs Unternehmen fegt.“ Dieser Vergleich stammt von Norbert Heckmann, Mitglied der Konzernführung der Würth-Gruppe und Sprecher der Geschäftsleitung der Adolf Würth GmbH & Co. KG.

Sturm – das klingt gewaltig, nach unbändiger Kraft. Und das soll es offenbar auch. 

Denn die Genius AG will nicht weniger als jedem „Würthler“ jedes Jahr aufs Neue die Chance geben, die Zukunft des Weltmarktführers im Bereich Montage- und Befestigungsmaterial aktiv mitzugestalten.

Vor-Ort-Termin im futuristisch anmutenden Reinhold Würth Innovationszentrum Curio® auf dem Campus in Künzelsau-Gaisbach. Hier arbeitet Patrick Dankesreither, der 2024 mit seinem Team als Sieger in der Kategorie „Business Shopping – Neue Geschäftsfelder für die Zukunft“ hervorgegangen ist. Für den Maschinenbauer sind das kreative Miteinander und der daraus resultierende Wissenstransfers ausschlaggebend für den Erfolg der Projektgruppe. Berufliche Weiterentwicklung? Wird auf diese Art sozusagen zum Selbstläufer. 

„Das Team von Patrick war bunt gemischt, Kolleginnen und Kollegen aus unterschiedlichsten Fachbereichen haben zusammengearbeitet“, sagt Regine Wittig, die in der Strategischen Personalentwicklung arbeitet und Projektverantwortliche für die Genius AG ist. Wittig denkt unter anderem an eine Geisteswissenschaftlerin, eine Kollegin aus dem Bereich Kunst und Kultur, die mit Dankesreither im Team getüftelt hat. Und sie denkt an das Ergebnis von mehreren Monaten gemeinsamer Arbeit.

„Scan 2 Project“ beschäftigt sich mit 3D-Laserscannern und den dahinterstehenden Geschäftsfeldern. „Scan 2 Project“ ist für den Ingenieur Patrick Dankesreither aber noch viel mehr: Ein Symbol für die Kraft des Lernens und dafür, was Wissbegierde, Offenheit und stetige Weiterentwicklung bewegen können. 

 Patrick Dankesreither
© Eugen Bauer
Patrick Dankesreither

Frau Wittig, Sie begleiten die Genius AG von Anfang an. Also seit 17 Jahren. Vor 17 Jahren hatte die berufliche Weiterbildung in den meisten Unternehmen bei weitem nicht den Stellenwert wie heute.

Wittig: Das Projekt ist – wie so vieles hier im Unternehmen – auf Anregung von Prof. Reinhold Würth hin entstanden… 

… dem Ehrenvorsitzenden des Stiftungsaufsichtsrates der Würth-Gruppe und Sohn von Adolf Würth, der 1945 hier in Künzelsau eine Schraubengroßhandlung eröffnete…

Wittig: Richtig. Der Hintergedanke der Genius AG ist der, dass in einem Unternehmen wie der Adolf Würth GmbH & Co. KG ein immenses Wissen verankert ist – das aber teilweise in Abteilungssilos zu versickern droht. Mittlerweile sind hier, im Gründungs- und größten Einzelunternehmen der Würth-Gruppe, über 8.000 Mitarbeitende beschäftigt. Rund 88.000 Mitarbeitende sind es weltweit im Konzern. Damit verändert sich auch der Wissenstransfer innerhalb des Unternehmens. Die Idee ist es, mehr in die Vernetzung zu gehen. Und auch das vielzitierte Life-Long-Learning kommt bei der Genius AG ins Spiel. Für mich ist das Format in der DNA des Unternehmens begründet. 

Was meinen Sie mit DNA?

Wittig: Prof. Reinhold Würth wollte schon immer wissen, was „hinterm Berg und ums Eck ist“. Das hat den heute 90-Jährigen schon in jungen Jahren angetrieben. Man muss es einfach so sagen: Es waren Antworten auf genau diese Überlegungen, die das Unternehmen groß gemacht haben. Das 2022 eröffnete Reinhold Würth Innovationszentrum, in dem wir gerade sitzen, trägt nicht umsonst den Namen Curio. Curio ist lateinisch und bedeutet Neugier. 

Stimmt, der Schriftzug außen am Gebäude fällt schon von weitem auf…

Wittig: … aber das ist nichts Aufgesetztes, kein Label. Das ist gelebte Unternehmenskultur. Gerade in den letzten Wochen konnte man das erst wieder eindrucksvoll sehen. Innerhalb von ein, zwei Stunden nach Ankündigung des Kick-Offs hatten wir bereits über 50 Anmeldungen für die diesjährige Genius AG. Beim Kick-Off selbst waren es dann 130 Teilnehmende. Die Leute haben Lust auf Weiterbildung und Innovation! Und die Geschäftsleitung lebt eine solche Unternehmenskultur auch vor. 

Letzteres betonen Sie?

Wittig: Die anhaltenden wirtschaftlichen Herausforderungen gehen auch an uns nicht spurlos vorbei. In solchen Zeiten hätte man auch die Entscheidung treffen können, mit der Genius AG in diesem Jahr eine Pause einzulegen. Für die Geschäftsleitung war und ist das Projekt – neben weiteren Säulen der beruflichen Weiterbildung, zum Beispiel über die Würth Akademie http://wuerth.rocks/9bi - aber klar gesetzt. Nämlich als Investition in die Zukunft. Wenn wir uns anschauen, wie viele Führungspositionen vorrangig mit Nachwuchskräften aus den eigenen Reihen besetzt werden, geht das Konzept auf. 

Herr Dankesreither, Sie haben vor drei Jahren direkt nach dem Studium hier angefangen.

Dankesreither: Ja, genauer gesagt vor vier Jahren, noch während des Studiums. Ich habe bei Würth mein sechsmonatiges Pflichtpraktikum absolviert. Ich war damals im Bereich 3D-Druck in der Forschung und Entwicklung tätig. Die hier im Unternehmen vielzitierte Reise vom Händler zum Hersteller war für mich vom ersten Moment an spürbar. 

Die Bezeichnung „Schrauben Würth“ ist also zu kurz gegriffen?

Wittig: Die Schraube kennt natürlich jeder, aber mit ihr haben sich auch zahlreiche weitere Geschäftsfelder eröffnet. Das Kerngeschäft des Unternehmens ist heute aber nach wie vor die Herstellung und der Vertrieb von Montage- und Befestigungsmaterial. Klar ist, dass eine solche Entwicklung nur gelingen kann, wenn man die Mitarbeitenden gut mitnimmt. Wenn sie offen sind für Veränderungen. 

Also auch für die berufliche Weiterbildung?

Dankesreither: Tatsächlich hat mich von Anfang an fasziniert, wie hier über den Tellerrand geschaut und Wissen geteilt wird. Als Praktikant war ich von Beginn an völlig selbstverständlich mit Alteingesessenen im Gespräch. Das kannte ich von anderen Unternehmen so nicht. Für mich war daher ziemlich schnell klar: Das ist ein Umfeld, in dem ich lernen, mich entwickeln kann. Hier will ich bleiben. 

Wittig: Für die Firma war das auch klar.

Dankesreither: Im Januar 2022 habe ich dann in einer Festanstellung begonnen. Einen Monat später, im Februar, habe ich im Intranet den Aufruf für die Genius AG gesehen, einen Blog-Beitrag inklusive „Save the Date“. Ich hatte im Praktikum schon davon gehört, viele haben regelrecht geschwärmt. Von der Vernetzung, dem schnelleren Vorankommen, den besseren Ergebnissen im Anschluss. Im März war ich beim Kick-Off dabei und habe mir angehört, welche konkreten Impulse von den einzelnen Geschäftsführern kamen… 

Frau Wittig, wie läuft das mit der Themenfindung?

Wittig: Wir gehen Ende des Jahres auf die Führungsebene zu und überlegen, was aus unternehmerischer Sicht gerade ansteht: Welche Themen und Trends könnten für die Genius AG relevant sein? Zudem gibt es seit ein paar Jahren auch für Mitarbeitende die Möglichkeit, eigenständig Themen einzubringen. Beim Kick-off werden in der Regel sechs Themen gepitcht. Wer hat die beste Idee? Wer kann die Masse für sich begeistern? Dieses mittlerweile richtige „Batteln“ erleben wir für alle Beteiligten als sehr inspirierend. Raus aus dem Komfortbereich! 

Dankesreither: Die Geschäftsführer hatten sich tolle Pitches ausgedacht. Einige haben zum Beispiel live einen Sketch vorgespielt, der die Fragestellung sehr anschaulich gemacht hat. Mich hat beeindruckt, wie schnell man auf Augenhöhe unterwegs war.

Wittig: Und so soll es sein. Keine Berührungsängste. Rein in den kreativen Fluss. 

Dankesreither: Meine erste Genius-Teilnahme vor drei Jahren war ein gewisses Ankommen, Reinkommen. Ich habe mit einem Team am Thema Fachkräftemangel und der Frage „Wie können wir die Region Hohenlohe aus Arbeitgeberperspektive attraktiver machen?“ gearbeitet. Vor allem aber habe ich plötzlich noch besser verstanden, wie das Unternehmen als Ganzes funktioniert.

Wittig: Jeder kann mitmachen, unabhängig von der Abteilung, der Betriebszugehörigkeit oder dem Karrierelevel. Der Neuling ist genauso willkommen wie der erfahrene Mitarbeiter. Das Projekt lebt wirklich von einer vielfältigen, bunten Mischung, die das Unternehmen abbildet. Über die von mir liebevoll genannten „Wiederholungstäter“ freuen wir uns besonders. 

Dankesreither: (lacht) Also auch über Leute wie mich. Letztes Jahr hat mich auf Anhieb ein Pitch zum „Business Shopping“ angesprochen. Stichwort neue Geschäftsfelder für das Unternehmen erschließen. Das klang herausfordernd, was mir gefiel.

Weil es thematisch zu Ihrer Tätigkeit passte? 

Dankesreither: Nein. Denn neue Geschäftsfelder, die aus unserer Unternehmensstrategie resultieren, tangieren mich in der Forschung & Entwicklung erst dann, wenn sie verabschiedet und letztlich in Produkten umgesetzt werden.

Wie bilden sich die Teams der Genius AG? 

Wittig: Total frei. Das aktive Netzwerken ist ja gerade gewollt. Dieses Jahr haben wir am Ende des Kick-Offs zu jedem vorgestellten Thema Plakate mit QR-Codes im Raum verteilt. Die Teilnehmer scannten die Codes mit ihren Handys ab und landeten dann direkt auf Interessenlisten, in die sie sich eintragen konnten. Das erleichtert die anschließende Teamfindung ungemein. Erstaunlicherweise verteilen sich die Mitarbeitenden meist recht gleichmäßig. Im letzten Jahr hatten wir 20 Teams mit jeweils vier bis fünf Personen.

Dankesreither: Wir waren zu fünft, ich kannte davon nur einen Kollegen über mehrere Ecken. Die anderen kamen aus für mich bis dahin völlig unbekannten Bereichen. Der Austausch kam schnell in Gang. Mal haben wir uns auf einen Kaffee getroffen, mal digital. 

Um was zu tun?

Dankesreither: Ich für meinen Teil habe mich anfangs klassisch technisch eingebracht. Ich habe erstmal eine Stärken- und Schwächenanalyse des Unternehmens angeregt. 

War der 3D-Laserscan da bereits Thema?

Dankesreither: Nein, gar nicht. Wir haben uns bestimmt an die zehn Themenfelder angeschaut. Vom sozialen Engagement bis hin zur Serviceleistung. 

Letztendlich ist Ihr Team dann aber beim Thema 3D-Scan gelandet.

Dankesreither: Ja, damit hatte ich mich schon im Studium beschäftigt. Wir haben damals eine große Produktionshalle vermessen, mit einem Entfernungsmesser, teilweise auch mit Maßband. Fünf Leute waren fünf Tage lang beschäftigt. Die Idee hinter unserem Projekt war also, eine Dienstleistung zu entwickeln, die genau dieses Problem der Kunden angeht. Mit „Scan 2 Project“ hätte man das gleiche Ergebnis in vielleicht einer Stunde gehabt. So ein tragbarer Scanner kann ganze Gebäude aufnehmen. Er eignet sich unter anderem aber auch für die Baufortschrittskontrolle oder die Bestandsaufnahme bei einer Sanierung. Ich habe einen riesigen Impact gesehen, auch in puncto Zeitersparnis. Und so habe ich die Sache meinen Mitstreitern entsprechend schmackhaft gemacht. 

Hört sich an, als wären Sie die treibende Kraft im Team gewesen?

Dankesreither: Das würde ich nicht so sehen. Initial und auch fachlich kam einiges von mir, das stimmt. Aber in der Weiterentwicklung waren die Kolleginnen und Kollegen maßgeblich. Jemand, der aus dem Kunst- und Kulturbereich kommt, schaut von Haus aus ganz anders aufs Geschehen. Sie hat dem Projekt neue Perspektiven gegeben, indem sie Skalierbarkeit eingefordert und weitere Anwendungsgebiete in den Fokus gerückt hat. Ähnlich war es mit meinem Teamkollegen, der als Spezialist in einer der deutschlandweit über 600 Niederlassungen arbeitet. Er hat sich stark mit dem Thema Außendienst beschäftigt und die Frage gestellt, wie die Kollegen im Vertrieb mit einer solchen Dienstleistung umgehen können. Für den Erfolg des Projekts waren aber letztlich die Erfahrungen aller Teammitglieder entscheidend, nicht zu vergessen die Kolleginnen aus dem Key Account Marketing und dem HR-Bereich. Für mich war es einfach eine tolle Lernerfahrung, die Intelligenz der Vielen zu nutzen. Wir haben unterschiedlichste Anwendungsfälle gefunden, die am Ende nur darauf beruhten, dass es im Team eben nicht diese ausschließlich technische Sicht gab. 

Die konkrete Arbeitsphase des Projektes hat sich über drei Monate erstreckt, richtig?

Dankesreither: Ja, wobei die in Anspruch genommenen Stunden im Verlauf mehr geworden sind. Während der finalen Ausarbeitung der Präsentation waren das rückblickend sicherlich einige Wochenstunden. 

Während der Arbeitszeit?

Dankesreither: Nicht nur. Weil wir alle das Potenzial unseres Projektes erkannten, haben wir auch die ein oder andere Besprechung abends abgehalten. Im Juli war dann die Präsentation. 

Wittig: Das war schon ein sehr eindrucksvoller, besonderer Moment, als ihr euer „Scan 2 Project“ vorgestellt habt, Patrick! Ihr wart das verdiente Siegerteam in eurer Sparte.

Gutes Stichwort: Wie funktioniert das mit der Prämierung? 

Wittig: Jedes Team wird nach Qualität, Innovationspotenzial und Umsetzbarkeit der Ergebnisse bewertet. Wobei Umsetzbarkeit nicht bedeuten muss, dass ein Projekt im Unternehmen zwangsläufig weiterverfolgt wird.

Dankesreither: In unserem Fall ist es so, dass wir heute – ein halbes Jahr später – erfolgreich durch alle Gremien gegangen sind. Das Konzept ist mehrfach bestätigt worden. Ich freue mich, dass ich „Scan 2 Project“ weiterentwickeln darf. 

Wittig: Es gibt natürlich auch Ideen, die sind sehr gut, aber zum aktuellen Zeitpunkt nicht realisierbar – weil sie zum Beispiel extrem kostenaufwändig sind. Es kommt somit durchaus auch vor, dass eine Idee erst mal in der Schublade verschwindet und mit etwas Abstand wieder auf die Agenda kommt.

Das passiert? 

Wittig: Immer wieder. Aber auch wenn nicht, kann die Teilnahme an der Genius AG ein voller Erfolg sein. Im Sinne von „gut, dass der Gedanke da war“. Das allein kann ein großes Stück Lernen und persönliche Weiterentwicklung sein. Als Anerkennung und Wertschätzung werden die Teilnehmenden der Genius AG von uns mit einer Bildungsaktie belohnt. Damit kann ein Teil der persönlichen Weiterbildung finanziert werden, beispielsweise ein berufsbegleitendes Studium, Seminare, oder andere Weiterbildungskurse. Auch Maßnahmen für die persönliche Fitness und Gesundheit sind möglich.

Dankesreither: Ich habe mir eine Fitnessuhr gekauft. Aber vor allem habe ich während meiner Genius AG-Zeit unheimlich viel dazu gelernt. Das ist für mich persönlich der größte Gewinn!